Längst sind Film und Theater nicht mehr ein und dasselbe. Während frühe Filme noch sehr stark von ihrem Bühnenursprung zeugten, kann eine Filmadaption heute kaum mehr mit einer Theateraufführung verglichen werden, die ein ähnliches Thema hat. Vor allem westliche Filme sind auf Geschwindigkeit und Effekte ausgelegt, während ein Theaterstück durch eine besondere Tiefe und Stärke seine Szenen vermitteln muss.
Zwei Welten
Veranschaulichen lässt sich das an zwei Beispielen.
Eine Schulklasse wohnte neulich einer Aufführung von Shakespeare´s „Hamlet“ im Berliner Ensemble bei. Ich saß daneben und merkte, dass die jungen Schüler überhaupt nichts mit der Aufführung anfangen konnten. Handys wurden gezückt und Snacks hervorgeholt – eine Schande in dem altehrwürdigen Theater. Interessanterweise hatte aber genau diese Klasse kurz zuvor die Filmadaption von „Romeo und Julia“ mit Leonardo DiCaprio gesehen und war vollends begeistert gewesen. Dabei sind die Dialoge des Films die gleichen wie in der Theateraufführung, und stehen damit in ihrer Kompliziertheit „Hamlet“ nicht nach. Scheinbar waren die Schüler so beeindruckt von dem Schnitt und dem detaillierten Schauspiel, dass sie sich an dem Text nicht störten.
Hingegen konnte zuletzt das deutsche Theaterstück Drachenherz, eine Coming of Age Geschichte der mitteldeutschen Provinz, Zuschauer in der gesamten Bundesrepublik begeistern. Der Stoff hätte in einer einstündigen Serienepisode abgehandelt werden können. Doch die großartigen Tanzeinlagen, einfühlsame Momente und der großartige Klimax taten ihr Übriges, um über zweieinhalb Stunden zu unterhalten. Mir fällt kein Regisseur, kein Schauspieler ein, der diese Themen so überzeugend in einem Film hätte darstellen können.
Die eigene Entscheidung
Somit sind beide Gattungen notwendig, um gute Geschichten zu erzählen. Wo bleibt dann der Schauspieler? Es gibt natürlich einige, die sich in beide Gewässer wagen, etwa Pierce Brosnan und Christoph Waltz. Doch gerade am Anfang macht es Sinn, sich auf ein Medium festzulegen. Wie bei der Wahl der eigenen charakterlichen Schiene, sollte man zuerst nach seinen eigenen Vorlieben gehen. Möchte man lieber auf einer Bühne oder am Set stehen? Je früher man sich diesen Schritt überlegt, desto besser.